Ich bin immer wieder überrascht, wie weit das Verständnis über die Notwendigkeit von Coaching zwischen den betroffenen Personen (in der Regel der Angestellte) und der vermittelnden Person (in der Regel HR) auseinander gehen. Folgende Geschichte, die mir vor Kurzem widerfahren ist, unterstreicht diese Diskrepanz.

In einem offenen Gespräch mit der Vertreterin von HR bei einem Unternehmen über den möglichen Einsatz als Coach, kamen wir auf den Punkt, wo das Bedürfnis und die Nachfrage von Mitarbeitenden nach Coaching erörtert wurde. Sie teilte mir ihre Beobachtung mit, dass die Nachfrage nach Coaching tendenziell eher rückläufig sei. Dies ist als solches ja noch kein Thema und kann für das gesunde Arbeitsklima im Unternehmen sprechen, aber meine Beobachtungen beim gleichen Kunden unter den Mitarbeitenden zum Thema Coaching war genau diametral zu dieser Feststellung entgegengesetzt. Die Mitarbeitenden fragten nämlich nach mehr Coaching und zeigten ein hohes Bedürfnis nach unabhängiger Beratung durch einen Coach auf. Woran liegt das?

Ich habe mich dann mit den Kriterien des Unternehmens auseinander gesetzt, wann ein Mitarbeitender ein Coaching beantragen kann und für ein solches zugelassen wird. Dabei habe ich festgestellt, dass

  1. die Formulierung auf den firmeninternen Intranetseiten ungenügend und missverständlich war, da sich das Angebot anscheinend nur an Führungskräfte richtet.
  2. die Hürden für ein Coaching psychologisch hoch waren, unter anderem musste der Vorgesetzte einem Coaching budgetmässig zustimmen.

Beim ersten Punkt stellte sich heraus, dass diese Einschränkung nicht korrekt war und in Tat und Wahrheit alle Mitarbeitenden das Coaching zugänglich war.

Beim zweiten Punkt stellt sich die Frage, ob der Einbezug des Vorgesetzten immer zielführend ist. Denn gibt es ein Problem oder Sachzwänge, die in direktem Zusammenhang mit dem Vorgesetzten stehen, so wird das Coaching erst beansprucht, wenn es vielleicht schon zu spät ist. Als reaktive Massnahme auf einen Disput oder eine Eskalation, in welcher das HR bereits involviert ist und somit auch schon Akteneinträge in das Personaldossier gemacht worden sind.

Das Unternehmen hat also eine gutgemeinte Massnahme durch eingeschränkten Zugang und missverständliche Kommunikation selber sabotiert. Anstatt das Coaching zu fördern, hat es das Coaching ausgebremst. Wäre es nicht sinnvoller dem Mitarbeitenden einen offenen Zugang nach professioneller Hilfe zukommen zu lassen, bevor eine Eskalation stattgefunden hat oder schon Geschirr zerschlagen worden ist?

Wie ist eure Erfahrung? Habt ihr auch schon das Bedürfnis nach professioneller und unabhängiger Hilfe gehabt und konntet nicht „frei“ auf diese Dienste zugreifen?